Dieses erbärmliche Biest nimmt mir die Lebensfreude. Sobald sie nur auftaucht, spüre ich etwas von Atemnot und Versteinerung in mir.
Wie soll sie irgendjemandes Freundin sein? Ich glaube, sie macht alle nur bitter und bedrückt. Aber ich rede eben nicht von Frau Klum. Sondern von dem Biest, das hier in vielen Beiträgen auf sie losgelassen wird. Die Altersangst. Und da bin ich mir sehr unsicher, ob ihr die nicht etwas leichtfertig von der Kette lasst.
Als GNTM-Zuschauer können wir natürlich sagen: Heidi hat damit angefangen! Wir reagieren nur. Siehe den Trailer der letzten Staffel: dieses Pseudo-Mädchen, dass da ausgelassen fröhlich in Pink durch die Szene hopst! Das ist natürlich ein Image, das Heidi selbst gewählt hat, und es ist voller Zwangssysmptome und voller Plüsch. Ein 40+-Ex-Model, dem es immer erheblich an Stil gefehlt hat und die darum auch heute nicht wirklich versteht, was sie macht. Keine Beraterin da, die ihr energisch abrät, und die Kinder (immer noch?) zu jung, um sie vernünftig zu erziehen. "Lass das, Mama! Das ist peinlich!" Wir würden ja sofort "Danke, Leni!" sagen, wenn da endlich mal was käme. (Die leicht verzweifelte Hoffnung auf die QuietschBoys haben wir schon aufgegeben.)
Solche individual-psychologische Sichtweisen zieht sie natürlich an, und das auf "Stars" versessene System der medialen Öffentlichkeit unterstützt das noch. Natürlich auch mit genau derselben Lust, von zwei Seiten zu arbeiten, mit der Heidi und GNTM ihre Kandidatinnen in die Zwickmühle nehmen: Jeder Beifall eine Ermunterung für Mehr. Und nachher gibt es die Szene nochmal in Zeitlupe, in neue Kontexte gestellt, und plözlich bist du die Vorgeführte. Wir nehmen uns Claudia Schiffer als Beispiel, und sehen, dass es anders geht. Es gibt schon Frauen, die in Heidis Alter reifer sind und nicht nötig haben, das fröhliche junge Ding zu spielen. Sogar mehrere. Also: Da ist ganz zweifellos Zwangs-Verhalten in Heidis Selbstdarstellungen.
Aber mit dieser Sichtweise betrügt man sich auch schnell. Da ist viel Trost für Dumme im Spiel. Das beginnt schon damit, das wir uns gedanklich gar nicht erst auf die Ebene begeben, auf der tatsächlich gehandelt wird. "Keine Beraterin, die ihr energisch abrät"? Wer glaubt denn diesen Unfug! Sie lässt sich ganz sicher beraten und "schiebt ne Menge Kohle dafür rüber". Nur engagiert sie eben keine Psychologen, sondern Investment- und Management- und TV-Berater.
Was werden die ihr anders raten, als das einträgliche Model-Mama-Business in Germany fortzuführen? Jedes Jahr fängt ein neuer Jahrgang Mädchenträume an und jedes Jahr denkt ein riesiger Prozentsatz davon übers Modeln nach und beschäftigt sich mit GNTM. Und Heidi Klum sagt an, was dazu gehört. Sie hat sich da über die Jahre eine einzigartige Stellung in der Öffentlichkeit erarbeitet. Mit schwerem Sexismus und gegen riesige Kritik an ihr im gesamten deutschen Feuilleton-Establishment.
(Ich erinnere nur, wie Roger Willemsen in einem frühen GNTM-Jahr das Bild von Heidis ewigen Kunstpausen vor dem "Kein Foto"-Urteil benutzte, was er dann "Scheiden in wertes und unwertes Leben" nannte, um dann - sinngemäß, aber wohl recht wortnah zitiert - loszulegen "man würde gern sechs Sorten Scheiße aus ihr rausprügeln, wenn es denn nicht so frauenfeidnlich wäre". Der Mann ist für diese Frauen-Prügel-Fantasie im ganzen Land gefeiert worden, und keine Femnistin ist gegen ihn aufgestanden - nicht zuletzt weil er gedeckt war durch einen armseligen Faschismus-Vergleich und den Titel "Sturmbannführerin Heidi Klum", mit dem die Oberbefreite Alice Schwarzer gewütet hatte. Heidi Klum war eine Art Abschaum in der deutschen Kulturszene!)
Heidi Klum hat sich ihren GNTM-Erfolg von Anfang mit Provokationen erarbeitet - und immer daran verdient, verachtet zu werden. Sie hat das "Kohle machen mit Sexismus" noch ins Bild gesetzt und Lingerie in der Zeche vorführen lassen; sie ist mit GNTM ins Fußballstadion gegangen, immer schön auffallen damit, die Männerlust am nackten jungen Frauenfleisch zu bedienen (alles auch in den wunderbaren Anfangsjahren von GNTM, die hier oft so verklärt werden). Heidi Klum hat als VS-Superstar GNTM übernommen - und sich dort regelmäßig nahe am "Dummes Blondchen"-Schema inszeniert, schön naiv und provinziell, eine schwer hausbackene BILD-Maus. Das Verlachtwerden gehört seit 15 Jahren zu ihren Einnahmequellen.
Von daher würde ich nicht allzu hoch darauf wetten wollen, dass Heidi das Altersthema nicht ebenso ausbeutet. Ich halte es einfach immer für einen Fehler, von TV-Inszenierungen auf reale Problem schließen zu wollen. Ich sehe jedenfalls in dem albernen Mädchen eher die Ansage "ihr langjährigen GNTM-Zuschauer mit eurem Wissen über unser Format interessiert uns einen feuchten Kehricht; das hier ist für unsre Jüngsten, denen wir fröhlich herzlich verdienend zugetan sind!"
Nartürlich darf man davon ausgehen, dass die Altersfrage ein Thema für sie IST. Speziell auf den Führungsebenen nimmt sich das erbarmungslose Stechen auch das Alter als Waffe, und ab Mitte 40 hat niemand dort Ruhe. Auch die Männer nicht; aber für Frauen geht es verschärft zur Sache. Sobald sie Schwächen zeigt, werden sie ausgenutzt; und als VS-Star und im Umfeld des Weinstein-Imperiums haben Heidis Unternehmungen ganz sicher erhebliche Schwächen gezeigt. Sie muss sich neu erfinden, und es ist nicht ausgemacht, ob ihr das gelingt. Nur: der Kampf findet nicht gerade auf dem provinziellen deutschen TV-Markt statt.
Wir haben da eher mit dem Kleinkram zu tun. GNTM ist für Heidi Klum vermutlich nicht übermäßug wichtig. Aber den Gelddrucker aufzugeben, kommt natürlich auch nicht in Frage. Also kümmert man sich auch um die Problemchen im alten Heimatland.
GNTM hat zweifellos wichtige Baustellen zu bearbeiten. Die wichtigste dürfte das TV-Problem selber sein; gerade im Zielpublikum verliert das Fernsehen an Bedeutung, womit die "Quoten" im abnehmenden Gesamt-Publikum immer weniger einbringen auf dem Werbemarkt. Dass Frau Klum und Pro7 ein Gespür für die veränderten Publikums-Bedürfnisse haben, darf man angesichts der Fehleinschätzungen und Pannen dieser Staffel bezweifeln. Die Publikums-Lieblinge der neuen Medienlandschaft im Halbfinale abzuschießen, hat für Quotenabhängige schon gefährlich Verpeiltes. Weder Sex noch Prinzessinnenträume haben wie gewünscht funktioniert. Das einzige, was wohl über Plan lief, war der Erfolg im Hass-Säen.
Auch der Plein-Sexismus sieht erstmal nicht nach erfolgreichem Anknüpfen an die Erfolgsstory mit Provokationen aus. Da wird man sich schon was neu überlegen müssen für Staffel 16. Aber dass sie Hass-Säen und die sexy "Alte" als Themen aufgeben, das kann ich mir derzeit nicht denken.
Es sei denn, Leni hat was drauf und macht der Alten zuhause Feuer...