Na sowas, "About You" wirbt wieder mit den Top 2. Kommt aber wohl daher, dass ja auch GNTM immer die Kandidatinnen mit Persönlichkeit, Redegewandtheit und natürlicher Ausstrahlung auf den Schild hebt, oder? An Bonnie Strange als Casterin sah man ja auch gleich, dass da nothing strange erwünscht ist. Vor allem auch keine Brüste, liebe Vanessa! (Typisch Hochbegabte, die war wieder zu schnell und ihrer Zeit um eine Folge voraus.)
Diese Betrügereien sind inzwischen wie der Beton, in dem alles eingeschlossen wird. Nach der Aufgabenstellung und den gezeigten Leistungen hätten auch andere eine Jobchance gehabt. Für mich z.B. war auch Theresia mit einer fröhlich heiteren Präsentation eher vorn als die wieder mal übereifrige Simone. Sayana hat sich aber inzwischen eine GNTM-Sieg-Strategie überlegt, die mir klug, weil auch gut zu ihr passend vorkommt. (Aber Klugheit hab ich eine Woche zuvor auch Vanessa attestiert; ich sollte mich diesbezüglich bei GNTM wohl mehr zurückhalten?)
Jedenfalls scheint mir Sayana wieder deutlich bessere Chancen als Tatjana auf den zweiten Platz zu haben. Aber da sind wir halt in Bereichen, wo vielleicht noch Spannung möglich ist. Und - wer weiß? - vielleicht hat in diesem Fall auch tatsächlich Leistung mal einen Ausschlag gegeben. Ich will da mal GNTM nicht noch schlechter machen als es ist.
Das Battle-Prinzip, mit dem die Wackler der Woche ermittelt wurden, waren genau darauf berechnet, Jasmin einen Punkt zuschanzen zu können und aber andere anhänger-starke Kandidatinnen wie Enisa und Vanessa in Schwierigkeiten zu bringen. Vielleicht war Heidis Erstaunen über den Erfolg dieser Strategie gar nicht mal falsch, als sie sah, welche vier es schließlich erwischt hatte. Mit Vanessa zum Beispiel konnte man nicht unbedingt rechnen. Mit Enisa schon eher. Und mit Justine als Konkurrentn von Sanaya auf jeden Fall. Justine scheint überhaupt als Wacklerin der Staffel auserkoren zu sein. Sie leidet so schön. Kommt doch gut im Fernsehen. Und um so besser, je mehr wir uns auch darüber aufregen.
Was aber auch unumgänglich ist. Immer wieder auf ihrem mangelnden Selbstbewusstsein herumzureiten, ist eine durchschaubare, aber schon an sich wirksame Strategie der Verunsicherung. Wenn die Moderatorin nach deinem Couture-Walk aber noch auftsteht und deinen Rock hochhebt, "um zu sehen, ob sich da ein Gipsfuß drunter verbirgt", dann hat sie sich ganz gezielt beworben für den "Drecksack des Monats"-Titel. Das ist absichtsvolle Demütigung im schlimmsten Grad. Sie weiß, dass sie damit empören wird. Das ist ihre Absicht. Es gehört wohl zum Format. Aber man muss schon eine "Persönlichkeit" mitbringen, um das Format so erfüllen zu können.
Wie wird sich Toni Garrn in dem Moment gefühlt haben? Oder sollte die Frage lauten "Wie wird sich Toni Garrn in der Toni-Garrn-auf-dem-Jurystuhl-Rolle" gefühlt haben?"? Sie war neben Heidi eine völlig andere als tags zuvor beim Training. Als Coach gefiel sie mir recht gut; als Gastjurorin war sie bloß Staffage. Nicht ganz, aber ungefähr auf dem Karikatur-Niveau von Joop und Ellen von Unwerth. Mit einem Ausrutscher noch weiter nach unten allerdings, als sie von Heidi vorgeführt wurde, endlich mal was selbständig zu sagen, statt bloß zuzustimmen und nachzuäffen. Schon etwas peinlich, wenn man vorher selber den üblichen Experten-Ausweis des "Selbstbewusstsein-Zeigen" bedient hat.
Tonis Coaching fand ich aber ordentlich. Auf das Couture-Thema und speziell das Posen komme ich nachher nochmal, weil ich unter euren Kommentaren von heute die Frage von Arkytior entdeckt habe. Aber auch sonst kann sagen, dass Toni einerseits sehr gut auf die Mädels eingegangen ist und dabei mit Ruhe und Eleganz für Couture-Mode wichtige Schwerpunkte gesetzt hat. Andrerseits ist sie aber eben ein Promi, der hier aus Nähkästchen plaudert und nicht eine professionelle Trainerin, die sich analytisch mit dem Thema beschäftigt. Das resultiert dann in Ungereimtheiten, die ihr wohl nicht bewusst sind.
Die berühmten "großen Schritte" zum Beispiel kommen eher mit dem Jugendkult der Mode und mit Sports- und Steetwear in die Fashionschauen. Couture-Mode, wenn sie nicht eh gleich mit Blick auf Theater- und Opernbühnen entworfen ist, wird in Abendgesellschaften, auf Gala-Empfängen und bei Red-Carpet-Anlässen getragen: Alles Gelegenheiten, wo große Schritte unüblich sind und in der gegebenen Robe eh etwas schwerer fallen.
Damit kommt gleich das Zweite in den Blick, dass Couture mit Couture zu tun hat, und im kurzen Jeansrock nur unzureichend geübt werden kann. Es gehören schon auch Techniken dazu, schwere Kleider (auch schon wörtlich "schwere" Kleider) vorführen zu können. Soweit ich gesehen habe, ging nichts in Richtung Hobble Skirts, das konnte Toni als Thema auslassen, wenn sie's gewusst hat. Aber die Angst, auf den langen Rock zu treten, ist JEDER Anfängerin vertraut - und wer das als Trainer nicht anspricht, macht sich schon mitschuldig am Ausschlachten von Anfänger-Fehlern, wie sie die Modelcastingshows so lieben. Das musste Toni bekannt sein, und darum gehörten auch entsprechende Tipps ins Training. Es lässt sich ja leicht erledigen, schon ein 08/15-mäßiges "den Rock mit dem Schienbein nach vorne schieben" ist hilfreich. Justine hätte wohl davon profitieren können.
Anhand der Übungen hat Toni ja deutlich erkannt, wo Bewegungstalent vorhanden ist. Sie hat es aber angenehmerweise nicht weiter ausgeschlachtet, und Tipps gegeben, auch wo größere Erfolge eher nicht zu vermuten sind. Couture verlangt einfach Körperhaltungen und ein Körper- und Kleiderbewusstsein, dass sich im modernen Alltag (außerhalb von Abiball & Co.) kaum einstellt oder ihm sogar entgegengesetzt ist. Die "Couture-Edition" ist dazu da, das TV-tauglich auszuschlachten. Schon die Posen sollen ja niemand beeindrucken, sondern im Gegenteil befremden.Da ist Toni glaube ich im vorgegeben Gleis geblieben und hat die Mädel etwas ins absehbare Unglück laufen gelassen.
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Ein Wort wenigstens zu Jasmin: Wenn sie zur Couture-Robe erst über Preise spekuliert und anschließend die gewusst teure Jacke durch die Gegend pfeffert, dann darf man das kaum als "durchgeknalltes Verhalten" abtun. Das zweite ohne das ersteres vielleicht ja. So aber ist das Entsetzen über die Aktion noch vom Sender vorgekaut. Es ist sichergestellt, dass auch eventuell Unbedarfte dann "teuer" wissen, wenn sie Jasmin nachher pfeffern sehen. Für mich ein klares Zeichen, dass hier geskriptete Aktionen im Spiel sind. Und spätestens von da kommt man ja wohl zwangsläufig dazu, die gesamte Figur als Fake zu nehmen.
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Insgesamt war diesmal Anlage zu einer guten Folge da. Dank Missoni- und Siriano-Kleidern hätte es sogar mit Modeln zu tun haben können, und mit Mode auch jenseits von About-You-Alltags-Klamotten. Mit dem Fotografen war sogar jemand aus dem Biz dabei, der spontan eigene Ideen verfolgt, obwohl Heidi neben ihm steht. (Da musste Heidi aber lachen: was für ein Verrückter!)
Das Schema aber macht jeden Wettbewerb zunichte. Es WAR wieder alles Betrug. Und die Regie zerschnibbelt alles Lebendige und Interessante, um es mit Giftereien und Ödheiten zu versetzen und daraus GNTM zu machen. Allein Tim Labendas appearance sprach Bände: Heidi hatte im letzten Jahr erfahren, das er gerade zu Missoni ging. Da hätte man ja wetten solen, dass diese connection wieder genutzt werden wird. Und sei es, dass der Designer nach einem Begrüßungsküsschen gleich wieder verschwindet ... Aber gut, Labendas eigene Bemerkung lässt einen auch vermuten, dass Heidis Missoni-Aufzug der eigentliche Werbedeal war. Sah etwas unpraktisch aus für einen ganzen Tag Foto-Arbeiten. Aber nicht schlecht. - Und btw: bei dem späteren Einspieler im Gold-Top sah sie umwerfend aus! Macht schonmal 10 bis 20 Sekunden, die mich über Ärger hinwegtrösten
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Ok, ich hatte mehrere Kommentare von euch zum Zitiren ausgewählt. Aber da ist das meiste jetzt berührt. Fehlt nur noch Arkytiors Frage, die ich zur "Haute Couture Edition" aber auch zentral finde.
Beim Walk hab ich mich gefragt, warum die diese komischen Posen machen sollen. Jetzt mal ganz ernsthaft gefragt... Ab und an schau ich mir Haute Couture Schauen an bzw Bilder davon. Diese komischen Posen sind mir da aber noch nie aufgefallen. Macht man das nicht (mehr) oder ist das nur bei bestimmten Schauen der Fall oder was ist da los? Also... es ist ja nichts neues, dass man uns bei GNTM etwas aus der Modelwelt erzählt, was überhaupt nicht stimmt. Aber bei HC frag ich mich gerade tatsächlich, ob das Murks ist oder ich einfach falsch informiert bin
Konni hat es oben schon gesagt: Dein "ab und an"-Eindruck täuscht dich nicht. Diese Posen gehören nicht zum Standard der gegenwärtigen Couture-Schauen. Ich hab im Thread Runway-Videos die meisten aktuellen Shows verlinkt, da lässt sich das jederzeit auch besichtigen.
Allerdings gehören diese Posen schon zum klassischen Couture-Image, das seine stärkste Prägung aber nicht in den 1950er und 60er Jahren, sondern von Ende der 1980er bis etwa 2000 erhalten hat, mit der opulenten und extravaganten Mode von Christian Lacroix, Thierry Mugler und John Galliano für Dior. (Nicht wenig gefördert übrigens von Bernard Arnault, dem damaligen Dior-Chef und heutigen LVHM-Vorstandsvorsitzenden.) Einfach mal entsprechende Showvideos aus dem Zeitraum googlen, mit Vorzug noch auf Couture-Schauen von Mugler! Wer's ganz sehen will, braucht Sitzfleisch: das geht auch mal ne Dreiviertelstunde.
Das ist damit auch das, was Heidi zu ihrer Modelzeit als Couture vorfindet. Es wird dann allerdings rasch zersetzt; Lacroix und Mugler gehen mit dem Sieg des Minimalismus um die Jahrhundertwende bald in die Pleite. Nur Dior erhält mit Galliano eine Rest davon bis zu seiner Suspendierung Anfang 2011. Toni Garrn hat davon schon so gut wie gar nichts mitbekommen. Im Unterschied zu Heidi ist sie ja zwischen 2009 und 2012 einige Couture-Shows gelaufen, aber da sind die extravaganten Elemente in der Vorführung schon sehr zurückgenommen. Es gibt da noch Posen mit leichten Verbiegungen (siehe Chanel AW 2009/10, wo sie mitläuft) oder auch bewusst gezierte und die Behinderung in der Bewegung noch eigens demonstrierende Abläufe (wie der, ich erlaube mir mal das Attribut: "wunderbare", Treppenwalk bei Dior SS12 , wo Toni auch beteiligt ist) - aber in der Regel gehören solche Elemente zu den Dingen, die nur angedeutet werden und zumeist nur eingebaut sind in ansonsten sachliche Präsentationen. Models sollten das beherrschen; vor allem die Posings kommen ja auch bei Shoots immer wieder vor. Aber Couture wird so nur noch als bewusste Übertreibung und Remineszenz gelaufen; stark bei Gaultier beispielsweise, und als gezielte Karikatur in verschiedenen RTW-Schauen (wie Moschino).
Wie oben gesagt halte ich die Couture-Editionen hauptsächlich für Gelegenheiten, die Kandidatinnen vorzuführen und zum Straucheln zu bringen. Bei Heidi muss man aber auch daran denken, dass sie selber ist kein Runway-Model ist, sondern TV-Entertainerin, die Images prägen muss, um erfolgreich zu sein.
Heidi hat nicht bloß keine Couture-Shows gelaufen und "war nie in Paris", wie Lagerfeld in der berühmten Äußerung gegiftet at, sie war überhaupt kaum auf echten Fashion-Laufstegen. Die Info-Dienste wie models.com und fmd und auch ihre wikipedia-Artikel haben keine Einträge dazu und kennen außer VS-Schauen nur Benefiz-Veranstaltungen. In Fashion-Büchern kann man finden, dass sie um 2000 herum gelegentlich auf der New York Fashion Week aufgetreten sein könnte. Ich hab davon allerdings nur einen Job für Randolph Duke im September 99 gefunden (etwa Look 11 in der Mini-Galerie zur Show ) - und das ist bezeichnenderweise ein Designer aus Los Angeles, der seinen Weg vom Swimwear zur Abend- und Red Carpet-Mode gemacht hat - also DAS Milieu, indem Heidi als Model vorwiegend tätig war). Nichtsdestotrotz hat sie in New York enormes Ansehen; das aber stammt vornehmlich aus dem Project Runway-Erfolg. Eila Mell schreibt in ihrem Buch über die NY Fashion Week etwa zum Jahr 2007 "The runway show by the finalists was one of the hottest tickets during Fashion Week". Dazu sieht man Heidi dann mit Mikro auf der Bühne stehen.
Heidi ist eine Entertainerin, die das, was sie an Schablonen nutzt, im Fernsehen selber erfolgreich etabliert hat. Die Frage, ob Couture-Schauen wirklich so sind, wie Heidi sie präsentiert, geht an der Wirksamkeit von Heidis Bildern halb vorbei. Man könnte schon auch sagen: es IST so, im Sinne von "es ist auch heute noch anerkanntermaßen so", weil Heidi die Münze für heutige Kommunikationen so geprägt hat. (Vielleicht zusammen mit Tyra und den anderen NTM-Hosts, aber Heidis selber spielt glaube ich schon eine bedeutende Rolle dabei.)
Lagerfeld war vielleicht bissig, weil sein "sie war nie in Paris" einen wirklich wichtigen Fakt benennt. Aber damit kommt man noch lange nicht gegen Heidi an. Wenn Toni Garrn heute Couture-Schauen laufen würde, würde sie den dort geltenden und ganz anders aussehenden Bühnenausweisung fogen. Sie weiß auch, dass sie mit den Posen ein Klischee bedient und betont mehr relevante Aspekte wie Ruhe und Eleganz. Aber von solchen Nuancen abgesehen protestiert sie gar nicht gegen Heidis Albernheiten; sie lässt es stehen und bestätigt es damit sogar als gültig. Im "Reden über" beherrscht Heidi die Experten. Einsprüche dagegen sind so gut wie wirkungslos.