Zitatso wird es wahrscheinlich nur noch eine Frage der Zeit sein, bis der
Hauptsponsor Mercedes Benz sich mit der Fashion Week aus Berlin
zurückziehen wird.
Es fehlte was im Vorfeld dieser Fashion Week. Kaum Vorberichte, keiner der vorzählt wieviel Besucher wieder kommen? Und nicht mal einen Abgesang? Keine trotzigen Widerworte, kein Flagge-Zeigen für die Kreativen dieser Stadt? Stattdessen jetzt mitten im laufenden Betrieb ein langer auffälliger Kommentar auf der Meinungsseite der Berliner Zeitung. "Berlin hat keine Mode-DNA " wird der im Netz noch betitelt. In der analogen Ausgabe, sprich: der Zeitung selber heißt der Titel dagegen: "Mode für den Berliner Pragmatismus".
Dazu muss man wissen, dass die Berliner Zeitung eine Hauptstadt-Jubelzeitung mit kritischer Krawatte ist, hier wird alles "Große" gefeiert bis es nicht mehr zu halten ist. Und dann Plan B gelobt. An den Wechsel-Titel kann man die heiße Diskussion in der Redaktion regelrecht mithören. Die Berliner Zeitung unkt das Ende eines großen Berlin-Events herbei? Da sind dann aber schon einige Kinder im Brunnen ersoffen ...
Ich halte ja für möglich, dass da Missverständnisse mit im Spiel sind. Dem Zitat oben sind die deutlich zu entnehmen. Mike hat ja hier letztens mal drauf hingewiesen, dass das nur eine Redeweise ist von Mercedes Benz = Fashion Week. Mercedes ist nur der Hauptsponsor eines Teil-Events, das dann eben Mercedes Benz Fashion Week genannt wurde; Veranstalter ist dabei IMG (den Modelfans durch die Modelagenturen bekannt, Tochtergesellschaften des Konzerns, der sich auf Eventmanagement spezialisiert hat und zuerst im Sportbereich, z.B. als Manager von Wimbledon bekannt geworden ist). Daneben aber finden mehrere andere Modeevents statt: Panorama, Premium, Seek und Bright, Greenshowroom & Ethical Fashion Week und einige mehr. Dabei sind es die Messemn, allen voran die Bread & Butter, die die großen Besucherzahlen generiert haben, mit denen dann immer geprotzt wird um die Zelte am Brandenburger Tor zu verteidigen.
Die "Dachmarke", wie sie es nennen, also Berlin Fashion Week gehört dem Berliner Senat mit der beim Wirtschaftssenator angesiedelten "Berlin Partner GmbH". Die ist für Wirtschaftsförderung zuständig und hat durchaus wichtigere Schwerpunkte: die Modeindustrie hat für Berlin nicht ansatzweise die Bedeutung wie etwa der Gesundheitsbereich. Was man natürlich als Berlinerin nur begrüßen kann, wenn Wissenschaft und Industrie höher angesiedelt werden als Touristen "anzuziehen" ... Wenn dann andere Touristen-Attraktionen wichtiger sind, wie letztes Jahr die Fanmeile zur Fußball WM, dann haben die Zelte des Mercedes Benz-Events keine Chance - und das Event zieht in den immer noch ziemlich grauen Wedding (nix gegen den Bezirk selber, viele Designer wie Perret Schaad, Bobby Kolade oder Barre Noire sind schon dahin umgezogen.)
Wenn Mercedes Benz sich also zurückziehen würde, dann ist das noch lange nicht das Ende Berliner Fashion Week. Dass Mercedes aufgibt, das könnte ich mir schon vorstellen. In New York, ihrem bedeutendsten Sponsoren-Event, sind sie schon raus. Die kommende New York Fashion Week wird nach wie vor auch von IMG veranstaltet, aber ohne Mercedes Benz. Man zieht dort übrigens auch in andre Locations. Inwieweit da ein Zusammenhang besteht, weiß ich nicht, aber es gibt interessante Parallelen zu Berlin. Was ich vor dem jetzigen Ende gar nicht wusste ist, dass es auch dort öffentliche Proteste gegen den Veranstaltungsort gab.
Mal Klammer aufmachen: als die US-Designer-Vereinigung die New York Fashion Week Anfang der 1990er Jahre ins Leben rief - anstelle von vorher stattfindenden Modewochen, wo die Labels quer über die Stadt verstreut ihre eigenen Shows veranstalteten und die armen Presseleute wie die Irren herum hetzen mussten - da hatte man dann Zelte am Bryant Park aufgestellt: öffentliche Location, für die Fashion Szene auch wunderbar gelegen. Aber eben: öffentlicher Raum, genutzt für Veranstaltungen, die NICHT öffentlich sind, sondern einer kleinen Szene vorbehalten. Als es dort zu eng wurde und sich auch die Proteste mehrten, zog man angeführt vom inzwischen mitwirkenden Sponsor MB hinaus uptown zum Lincol Center und einem dort angrenzenden Park. Die Location hat kaum jemand geliebt, in den letzten Jahren zogen die Großen schon wieder vermehrt in ihre eignen Spielstätten zurück - selbst Diane von Furstenberg, Präsidentin der Designer-Vereinigung. Und Ende letzten Jahres gab es nun einen Gerichtsentscheid, der MB die exklusive Nutzung des Lincoln Centers und des Parks untersagte. Die Commons gehören allen und sind kein Claim, den die Reichen sich abstecken dürfen sozusagen.
Und DEN Streit gibt es um die Zelte in Berlin schon auch. Wobei es hier eben noch absurder ist wenn man daran denkt, dass die "Großen" deutschen Modefirmen, die ja eh schon keine Berliner waren, wie Boss und Escada, längst nicht mehr teilnehmen und viele die MBFW als Raum für jene Kreative auch aus Berlin gedacht haben - die aber in Berlin eben andre Räume bewohnen als die Touristenmeile ums Brandenburger Tor.
Dass Mercedes sich als Sponsor zurückziehen will: das könnte ich mir allerdings vorstellen. Wieviel Interesse wird IMG dann an Berlin noch haben, wo die großspurigen Hoffnungen auf "Nummer 5 in der Welt" schon länger nach Seifenblasen aussahen? Außerdem gibt s ja noch eine große Veränderung für die Berliner Fashion Week - und die steht schon fest: Zalando hat die Bread & Butter übernommen und will die ab nächsten Januar in eine Messe fürs Publikum umwandeln. Verkündet wurde das anlässlich eines Besuchs des immer noch neuen Regierenden Bürgermeisters bei Zalando - und es sollte ein Hoffnungszeichen sein, nachdem der alte Betreiber der Bread & Butter Konkurs anmelden musste. Man kann da eine typische Berlinisierung der Messe erwarten: aber wird das Fachpublikum weiter kommen? Werden sich die Besucherzahlen auf dem alten Niveau halten, womit die Fashion Week immer ihre wirschaftliche Bedeutung behauptet hat?
Im Bereich der bisherigen Mercedes Benz Fashion Week, also der Modewochen der Berliner und deutschen Designerlabels haben sich Vogue und ZEIT mit dem Vogue-Salon und Berliner Salon inzwischen stark engagiert. Das war auch schon ein Signal, dass die Berliner Modewochen nach einer neuen, besseren Regie suchen. (Man erinnere ich an die Fashion Week vom Januar, wo die Herbst-Winter-Schauen mit einer ... Wiederholungsschau mit Sommerkleidchen der New Yorker Designerin Charlotte Ronson eröffnet wurden! Ein derart grotesk alberner Missgriff des zentralen Mangements sorgt gerade unter Profis im Präsentationsgewerbe für Ärger, der lange in den Kleider bleibt.)
Auf jeden Fall: da ist einiges an Bewegung. Die Berliner Zeitung ist nicht immer verlässlich, der kann man peinlich verfrühte Unkenrufe ebenso zutrauen wie wochenlange Jubelberichte zur Eröffnung des BER, die quasi tags darauf um wenigsten 5 Jahre verschoben werden müssen. Aber wenn die einen so promimenten Kommentarplatz dafür wagen: dann haben die sicher schon was läuten hören.