Ich bin mir nicht sicher, ob der Vergleich der Showsitution mit dem Modelleben in "freier Wildbahn" so 1:1 möglich ist.
Ich bin mir leider ziemlich sicher, dass die Produktionsregie hart daran arbeitet, jeden Rest an Vergleichbarkeit zu tilgen und aus GNTM ein inhaltsleeres Big-Brother-Format zu machen, wo nur noch die Beschäftigung mit realen und durch Manipulationen verzerrten Verhaltensweisen x-beliebiger Personen das Thema ist. Darya ist, wie Shaft neulich mal sagte, "ein Traum für die Produktion" insofern sich mit ihr unheimlich viel von dieser Strategie umsetzen lässt. Wir gehen jetzt aufs Finale zu und haben fast eine komplette Staffel mit Zickenkrieg und Launigkeiten und jedes, ich denke gerade wirklich: jedes Showelement ist mehr oder weniger - und meistens mehr - davon beeinträchtigt worden. Immer wieder im Zentrum steht nach wie vor eine Darya, die mit ihren Maßen vor zwei Jahren als Kandidatin gar nicht angenommen worden wäre.
Wir hatten jetzt ein tolles Shooting in der letzten Folge. Ich würde sagen: das beste dieser Staffel und vielleicht eines der schönsten in 10 Jahren GNTM überhaupt. Und was geschieht? Die Regie schneidet permanent Daryas Launen-Theater hinein und kriegt von ihr dann noch als "Highlight", dass sie über (sinngemäß zitiert, mag das jetzt nicht raussuchen: ) "Schullers scheiß Kunst" schimpft.
Da frag ich mich dann: wieviel braucht es eigentlich noch an Zuspitzung, um zu sehen, was hier abgeht?
Ein tolles Shooting. Viele Mädel haben sichtbar begeistert reagiert. Eine Regie, die an Inhalten interessiert ist, kann daraus jederzeit interessante sidestories zum Shooting bauen: vom Styling und von den Anforderungen selber bis zur Gerechtigkeitsfrage, welches Shooting vielleicht besondre Schwierigkeiten hatte. Wer gerne Werbung für GNTM treiben will, darf sich sicher sein, dass am TV nachher Tausende von Mädeln davon träumen, bei solchen Shootings einmal mitmachen zu dürfen. DIESE Regie aber beschenkt uns mit einem "Es kotzt mich alles an"-Thema als Begleitmusik.
So wird das Modeln als Schwerpunkt des Formats abgebaut. Das ist das Thema - und nicht Darya als Person. Neben Erica und Laura stand und steht Darya aber im Zentrum dieser Regiearbeit. Entsprechend ist Darya häufig mit im Blick, wenn es um die Kritik dieser Arbeit geht. Und dann passiert: dass modelmäßig völlig Inakzetables (wie Arbeitsverweigerung und Fotografenbeschimpfung) vom Modelbezug abgelöst und psychologisch diskutiert wird - ob und inwieweit man Darya verstehen kann etc. Wer beim Modelbezug bleibt und sagt, dass Kandidatinnen für sowas auch sofort nach Hause geschickt werden könnten, wird von Darya-Fans dann als Hater verdächtigt. Auf diese Weise tragen Darya-Fans die Schwerpunktsetzung der Regie dann mit - allen besseren Wissens ansonsten zum Trotz.
Und nein, es machen nicht alle Darya-Fans, so simpel geht es zum Glück nicht zu. Ich sehe auch unterschiedliche Grade. Aber die Frage nach dem 1:1-Vergleich geht schon in diese Richtung. Die wirbt schon wieder um Verständnis für Darya in ihrer Situation und will das Urteil - das sie nicht in Frage stellen kann! - gleichzeitig doch relativieren. Und bitte: wenn's um Verständnis für Darya geht: warum soll man ihre Übellaunigkeit nicht verstehen nach Heidis "social-media"-Vorführung. Wenn Ajsa sich nach der Heidi-Kritik demonstrativ mit einem anzüglich tätowierten Biker hätte fotografieren lassen: das hätte man auch verstanden. Aber die Blickverlagerung weg von modelmäßigen und hin zu persönlichen Wertungen - wo dann auch Arbeitsverweigerung einfach so durchgeht - das ist für mich der Kritikpunkt.
Dass du an einer "Verständniskrankheit" leidest, finde ich nicht weiter schlimm. Geht uns vermutlich allen bei dieser oder jener Kandidatin so (auch wenn wir nicht alle gleichermaßen Wendungen wie "schwierige Frauen" lieben ). Aber ich würde einfach lieber sehen, dass die modelmäßigen Bewertungen NICHT in Frage gestellt werden und die Diskussion um Daryas persönliche Belange davon klar getrennt bleiben.
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Ich gehe dabei übrigens immer davon aus, dass wir uns in der Einschätzung der Regiearbeit an sich ziemlich einig sind - solange Darya nicht im Spiel ist. Als Test mal eine Sache, die ich letztens schon posten wollte: wie nämlich Julia Freitags Arbeit für GNTM an den Rand gedrängt oder sogar regelrecht an die Wand gefahren wird.
Im aktuellen Style of the Week Clip stellt Julia Freitag ihre Arbeit anhand von zwei Outfits vor - und betont, was man anhand einer näheren Besichtigung nur bestätigen kann: dass bei diesem "Total Black"-Thema die Details das Spannende sind. Die Details! Was bitte ist in der Inszenierung des Walks von den Details übrig gebleiben? Eine rhetorische Frage. Ich selber würde sagen, dass einzig Lisa mit ihren Handbewegungen nach dem Wegschieben der Hindernisse ihren Kopfschmuck betont hat. Ansonsten waren vom Arrangement des Laufstegs und vom Zeitbudget her Details überhaupt nicht vorgesehen.
Wer könnte wohl frei sagen, wie sich die Outfits z.B. von Ajsa und Katharina unterschieden haben? Es kam einfach nur schwarz herüber. Und das liegt für mich eindeutig an der Inszenierung durch die Regie. Sie ist daran nicht interessiert.
Präsentiert wurden Outfits, die Julia Freitag wohl selber aus Kollektionen von Augustin Teboul zusammengestellt hat. Ich schätze, sie hat da als Berlinerin persönliche Beziehungen zu den Designerinnen spielen lassen, um einen Satz jugendfreier Outfits für eine Show zusammenstellen zu können. Das sind Sachen eines Labels, das auf der Berliner Fashion Week auch internationale Aufmerksamkeit auf sich zieht. Wenn Reporter von Style.com über die Fashion Week berichten, dann verlassen sie das MB-Zelt gerne, um die Präsentation von Augustin Teboul zu besuchen.
Bei GNTM sieht es anders aus. Da sind interessante Outfits da, die im Fashion Business Aufmerksamkeit erregen. Da ist ein Stylistin, die was daraus machen kann. Aber da ist kein Wille, das für die Sendung ordentlich zu verwerten und ansprechend zu inszenieren.