Welches Grundwissen muss ich zum Mode(l)business haben?

  • Hallo Freunde


    Ich habe diesen Thread gestartet, weil ich gerne einige Fragen beantwortet hätte. Eine Forenfreundin unter uns hat mir danach den lieben Rat gegeben, ich solle es doch im Unterforum "Modelbusiness" probieren und... hier bin ich. :)


    Gerne wüsste ich von euch, was man so über die Mode und über das Modelleben konkret wissen muss. Das Basiswissen, das Fundament. Die wesentlichen Dinge, mit der man auch als Neueinsteiger und ohne grosses Modewissen mit anderen darüber quasseln kann. Denn ich sage es mal so: Von Mode habe ich keine Ahnung. Die wenigen Kenntnisse entfiltere ich aus GNTM. So kenne ich jetzt z. B., dass es die Kleidungsstile "Pret-â-porter" oder "Haute Couture" gibt oder kenne die Unterschiede zwischen "Editorial Shoot", "Fashion Shoot" und "Commercial Shoot". Doch ich habe immer noch das Gefühl, mir fehlen diese Basiskenntisse des Modelseins; das sind diese Dinge, die ich in der Auflistung erwähnt habe. Oder habe ich in der Auflistung was vergessen, was sonst beim Modelbusiness elementar von Bedeutung ist? Ich hatte mich vor GNTM nie für die Modebranche interessiert, auch während GNTM interessierte mich nur die Show und die Unterhaltung. Nun ist aber mein Interesse daran gestiegen. Das sind die Fragen:


    • Das Modelleben aus der Sicht des Models. Ist es wirklich weniger streng und anders als GNTM, wie das einige Ex-Kanditanninen meinen? Oder ist es so hart, wie es Klum, Joop, Hayo meinen? Das war quasi auch der Zünder, der das Interesse nach konkretem Wissen auslöste.

    • Die verschiedene Walkstyles, wie viele gibt es eigentlich? Pret-â-porter fällt mir jetzt gerade ein...

    • Wirtschaftliche, soziale und vor allem ethische Aspekte, im Vergleich auch zu früher

    • In den Medien lese ich immer von diesen dünnen, mageren Models. Ist das übertrieben oder stimmt das wirklich?

    • Wie das mit dem Aufnehmen in ein Label funktioniert, allgemein. Zudem sehe ich einige Ex-Kanditaninnen von GNTM auf der ONE Eins-Webseite sehe. Wieso kommen die dennoch ins Label und haben dann nur so "kleine Aufträge" im Vergleich zu GNTM-Winners?


    Klar kann man ich jetzt da googlen und ins Netz schauen, aber ich vertraue mich eher diesem Forum und den Mitglieder an, da sie ja schon seit Jahren über GNTM & Mode(l) quatschen und sicherlich auch Erfahrung haben. So kann ich auch - wenn ich Glück habe :D - auch alle Antworten aufs Mal kriegen und mich mit euch austauschen.


    Tut mir leid, wenn ich jetzt nicht so strukturiert vorgegangen bin, habe jetzt mal einfach drauf los geschrieben. Hoffe ihr verstehst, was ich mit diesem Beitrag und dem Titel dieses Threads meine. Wäre sicherlich gut, so eine Art "Basiswissen" über das heutige Modelbusiness zu haben. Wenn ihr auch nur eine meiner Fragen beantworten könntet, wäre es super. Eine Art kurze Zusammenfassung. Denn es interessiert mich wirklich.


    Ich danke euch jetzt schon herzlich und wünsche euch einen tollen Montag. :)

  • Ich gehe jetzt erstmal nur auf ein bisschen was ein. Wenn es in der Zwischenzeit nicht schon jemand anders gemacht hat, schreibe ich vielleicht demnächst auch noch zu den anderen Punkten etwas. Ich bin allerdings kein "Experte", daher setze ich darauf, dass jemand anderes mich korrigiert, sollte ich etwas falsches verzapfen.


    Das Modelleben aus der Sicht des Models. Ist es wirklich weniger streng und anders als GNTM, wie das einige Ex-Kanditanninen meinen? Oder ist es so hart, wie es Klum, Joop, Hayo meinen?

    Konkretisiere das vielleicht noch etwas mehr. Auf welche Aussagen von Klum, Joop, Hayo beziehst du dich?
    Grundsätzlich muss man natürlich sagen, dass es von Model zu Model extrem verschieden ist, wie schwer der Beruf ist/erscheint. Das ist ja irgendwie klar.
    Falls du dich auf die Art der Shootings beziehst (Tiere, Höhe etc.), dann erleben Models solche Shootings natürlich seltener (kommt aber vor).


    Die verschiedene Walkstyles, wie viele gibt es eigentlich? Pret-â-porter fällt mir jetzt gerade ein...

    Pret-â-porter ist in dem Sinne auch kein Walkstyle, sondern steht nur oft synonym für den Walkstyle, den man bei vielen Pret-â-porter-Shows sieht. Auf Pret-â-porter-Shows sieht man oft einen selbstbewussten schlichten Walk. Unter Haute Couture versteht man (bei GNTM) oft einen Walk, der sehr majestätisch wirkt. Wobei keineswegs bei Haute-Couture-Shows immer so gelaufen wird. Dann gibts z.B. noch den typischen VS-Walk mit Winken und Küsschen etc. Oder Sportlich, wo sehr locker gelaufen wird. Oder den Avantgarde Walk, bei dem einem Soldaten gleich marschiert wird. Aber das sind meines Wissens alles keine echten Termini.
    Denn bei Shows werden Walks (von Seiten des Choreografen) meines Wissens eigentlich nicht mit einem einzigen Begriff beschrieben, sondern mit einer Handvoll beschreibender Wörter bzgl. der Gangart und der Attitude. Daher gibt es auch keine fest definierte Anzahl an Stilen.


    Wirtschaftliche, soziale und vor allem ethische Aspekte, im Vergleich auch zu früher

    So allgemein gefragt, dass ich nicht wüsste wo man da anfangen soll zu diskutieren.


    Wie das mit dem Aufnehmen in ein Label funktioniert, allgemein.

    Meinst du Agentur? Von Labels spricht man bei Plattenfirmen etc., aber Label in der Fashionindustrie bezeichnet Designerlabels etc. Die nehmen so gesehen ja kein Model auf. Es sei denn du meinst, wie man zum Testimonial (repräsentatives Model) eines Labels wird?



    kenne die Unterschiede zwischen "Editorial Shoot", "Fashion Shoot" und "Commercial Shoot"

    Diese Begriffe finde ich übrigens viel zu vage, um die Kategorie eines Shootings zu charakterisieren. Ich finde hier Beschreibungen wie Katalog, Lookbook, Cover, Magazin-Editorial, Kampagne, Experimentell etc. sehr viel klarer.

  • Zitat

    Das Modelleben aus der Sicht des Models. Ist es wirklich weniger streng und anders als GNTM, wie das einige Ex-Kanditanninen meinen? Oder ist es so hart, wie es Klum, Joop, Hayo meinen? Das war quasi auch der Zünder, der das Interesse nach konkretem Wissen auslöste.


    Es gibt Interviews mit Ex-Kandidatinnen die als Model aktiv waren oder sind (Lisa Maria Könnecke, Alisar) Sie sagten, dass es viel viel stressiger ist. Sie stehen morgens auf, gehen zur Agentur die ihnen Adressen gibt, dann gehen sie zu sehr sehr vielen Castings am Tag. Lisa-Maria erzählte was von 12 Castings am Tag.
    Bei GNTM hat man nur wenige Castings während der ganzen Staffel.
    Die Unterkünfte sind auch viel bescheidener, eher mit Studentenwohnheimen oder WGs vergleichbar

    Zitat

    Die verschiedene Walkstyles, wie viele gibt es eigentlich? Pret-â-porter fällt mir jetzt gerade ein...


    Es gibt sehr viele Walks, Pret-â-porter bedeutet nur so viel, dass Mode präsentiert wird, die sofort getragen werden kann und in verschiedenen Größen angefertigt wird. Laufstile gibt es dort unzählige. Da kenne ich mich nicht so gut aus ;)


    Zitat

    Wirtschaftliche, soziale und vor allem ethische Aspekte, im Vergleich auch zu früher


    Da geht es mir wie Akaryuu

    Zitat

    In den Medien lese ich immer von diesen dünnen, mageren Models. Ist das übertrieben oder stimmt das wirklich?


    Magersüchtig sind zwar nicht alle ;) , aber gerade von den Laufstegmodels werden fast schon unrealistischen Maße verlangt. Die meisten Designer wollen zwar superdünne Mädchen, sie wollen trotzdem, dass die Models gesund, glatt, nicht knochig oder sehnig aussehen (sicher bin ich mir da nicht)

    Zitat

    Wie das mit dem Aufnehmen in ein Label funktioniert, allgemein. Zudem sehe ich einige Ex-Kanditaninnen von GNTM auf der ONE Eins-Webseite sehe. Wieso kommen die dennoch ins Label und haben dann nur so "kleine Aufträge" im Vergleich zu GNTM-Winners?


    So viel wir wissen sind Verträge mit One EIns Knebelverträge und One Eins arbeitet kaum mit anderen oder ausländischen Agenturen zusammen. Lies mal im One Eins Thread ;)

    „Ich schreie nicht so rum, wie die anderen. Ich glaube nicht, dass die Models sich so verhalten sollten“

    (Jasmin S17 )

  • Hallo Aincrad,


    natürlich gibt viel zu wissen in Sachen Mode und Modeln. Für das, was du hier fragst, könnte dir als erstes glaub ich Neele mit ihrem Modelblog gut weiter helfen. Als Ex-GNTM-Kandidatin legt sie Wert auf die Unterschiede des Modeln im TV und dem Modeln in echt. Und sie hat ein eigenes Model-ABC zusammengestellt mit zum Teil sehr schönen Erklärungen von vielen gängigen Begriffen.


    Ansonsten würd ich mich aber Akaryuu und Honigkuchenpferd anschließen und eher raten, die Begriffssuche entspannt anzugehen. Das Fashion business ist riesig und breit gefächert, du findest da immer für alles mal Beispiele und letztlich zählt nur, was sich verkauft. Vor allem wird in GNTM viel geblufft. Sich da durchzufinden lernt man am besten fechtend glaub ich: ärgre dich über GNTM - und kämpfe tapfer dagegen an!


    Anknüpfend ans Schon Gesagte mal noch was zu prêt-à-porter als Beispiel:
    Das ist eigentlich ein Geschäftsmodell von Schauen. Es meint wie das englische Ready-to-Wear (darauf bezieht sich die häufige Abkürzung RTW) erstmal schlicht "von der Stange", also Ware, die es fertig im Laden zum Anprobieren gibt und fabrikmäßig in verschiedenen Standardgrößen produziert wurde.


    Das ist allerdings bei den "Ready-to-Wear"-Schauen auf den großen internationalen Fashion-Weeks wie der Pariser FW zur Zeit gar nicht immer der Fall. Da mischen sich schon viele Designer in die Schauenliste, die eigentlich Couture vorführen. Nur ist der Begriff der Haute Couture von der Pariser Innung der "couturiers" streng bewacht und gesetzlich reguliert. Dort dürfen sich nur Mitglieder das Schild "maison du haute couture" umhängen. Davon gibt es etwa ein Dutzend und die unterwerfen sich Verpflichtungen, die längst nicht allen lieb sind: z.B. den Hauptsitz in Paris zu haben, ene Mindestanzahl von Beschäftigten und eine Mindestzahl von in Handarbeit gefertigten Modellen zweimal jährlich auf den Haute Couture Schauen vorzustellen.


    Deren Schauen sind dann entsprechend oft auf edlere größere Wirkung für einen ganz erlauchten Kreis von Kundinnen ausgerichtet (man sagt, davon gibt es nur einige Hundert weltweit). Und die lieben dann den größeren Effekt auch in der Darstellung. Da ist dann auch Drama mal gern gesehen - und von daher hat sich eingebürgert, "Haute Couture" auch als Darstellungsbegriff zu verwenden, vor allem im Sinne von overacting.


    Nur gibt es selbst in dem Bereich auch noch Unterschiede. Die haben in der Regel mit dem jeweilig propagierten Modestil und dem Frauenbild zu tun. John Galliano z.B. hat seine unglaublich ausstaffierten grand dames in Dior-Schauen gerne eine Treppe hinunter geschickt wo man "handgreiflich" sehen komnnte, wie schwer den Weibsen das Laufen in ihrer Pracht fällt: da war dann gern gesehen, den Handlauf des Geländers zu nutzen oder sich mal an der Wand abzustützen ... Coco Chanel dagegen höhnte gegen die Dior & Co. z.B., dass man deren Kleider nicht mal in einen Koffer packen könne und setzte auf Tragbarkeit, Bewegungsfreiheit etc. Das hat Karl Lagerfeld vor kurzem nochmal betont, indem er die Models eine Showtreppe auf Sneakers sportlich herunter hüpfen ließ. Da hast du dan zwei total entgegensetzet "Laufstile" - und die haben am wenigsten mit verschiedenen Techniken und ganz viel mit dem jeweiligen Frauenbild zu tun.


    Im RTW-Bereich sind die Unterschiede noch größer, zum Teil auch, weil das Spektrum noch breiter ist, vom Skianzug bis zur lingerie. Und die führste natürlich in verschiedenen Laufstilen vor. (Wobei jetzt Slalom aber noch nicht vorgekommen glaub ich - aber beachte bitte: "GLAUB ICH").


    Von da aus kannst du dir die Laufstile auch aus deinen Alltagsbeobachtungen aufzählen: was immer dir an Adjektiven einfällt zum Beschreiben unterschiedlicher Gangarten - das hat ne große Chance auch auf den Catwalks angewandt zu sein: sportlich, leger, elegant, hot, strong, verspielt, fröhlich ... Bei GNTM und den verschiednen walk-Ratgebern im Internet werden oft 3 Großtypen benannt, ich glaub sexy, casual und haute couture; in Alltagssprache übersetzt aufreizend, natürlich und bekloppt. Aber keine Angst: wenn Heidihayo es wichtig findet, wird es rechtzeitig angesagt. Den einzigen Gefallen, den sie dir nicht tun werden ist, die konkreten Beurteilungen wirklich nachvollziehbar zu machen. Warum auch? Entscheiden tun sie.


    Will sagen: die Fachbegriffe, um die du dich da bemühen willst, sind zwar nicht nur unsinnig, werden aber ganz stark als Imponiergehabe eingesetzt. Mehr datzu am nächsten GNTM-Beispiel ... das sich doch hoffentlich bald einstellen wird.



    Edit
    Als P.S. noch bevor ichs Bett gehe:
    Haute Couture-Schauen finden zweimal im Jahr über ich glaube 4 Tage im Januar und Juli in Paris statt, veranstaltet eben von jener fédération , deren Name so lang ist, dass ich jedesmal neu nachschauen muss ... Neben dem Dutzend Hauptmitgliedern sind immer noch einige Gäste eingeladen. Und zeitgleich lassen sich es immer noch ein paar weitere Designer nicht nehmen, ihre Couture-Shows vorzustellen - die dann aber sorgsam nicht HAUTE Couture genannt werden. Zusammen stellen sich da etwa 20-30 Labels vor.


    Ready to Wear Schauen gibt es dagegen quasi das ganze Jahr hindurch, von Moskau bis Sao Paolo, Toronto bis Sidney. Bei Nowfashion z.B. gibt es einen Kalender dazu, ein anderer, in der Auflistung noch umfangreicherer Dienst ist Modemonline, wo neben den Shows auch weitere Modeevents zusammengestellt sind.


    Unter diesen Schauen sind die sogenannten Big 4 die bedeutendsten: New York - London - Mailand - Paris. Die finden ebenfalls 2mal jährlich statt, immer hintereinander weg in der erwähnten Reihenfolge. Im Februar und März die Fall/Winter oder Autumn-Winter-Shows (jetzt gerade die Shows AW 15/16, wo also die Mode vorgeführt wird, die dann ab September/Oktober in den Läden sein soll - weil's bei den Couture-Shows diesen langen Vorlauf bis in die Läden nicht gibt, sind die Saison-Bezeichnungen dort zeitnäher, da haben im Januar gerade die Spring-Shows 2015 stattgefunden). Von Ende August/Anfang September bis Mitte Oktober sind dann die Spring/Summer-RTWs an der Reihe.


    Um da mal ne Größenvorstellung zu geben: In den europäischen Metropolen, wo die Fashion Weeks von einer sozusagen zunftmäßigen Organisation durchgeführt werden, stehen in jeder Saison an die 200 Shows im Hauptprogramm. Dazu gibt es viele kleinere, die die Gelegenheit der großen inter nationalen Aufmerksamkeit auch noch nutzen. In New York gibt es keine solche Organisation, da ist die Übersicht immer etwas schwerer. Mercedes Benz organisiert da eine Zentralveranstaltung im Lincoln Center, bei der einige große Labels, vor allem aber auch viele kleinere sich vorstellen; und gleichzeitig finden über die ganze Stadt verstreut weitere Shows statt, darunter viele der bedeutendsten Labels. Da führt das New York Magazin mit The Cuteinen ziemlich umfangreichen Kalender: und der enthält so an die 300 Einträge!


    Da kannst du dir vorstellen, dass da viele kleine Labels dabei sind. Und das ist natürlich ein wunderbares Feld für GNTM, um bei DER New York Fashion Week auch dabei zu sein und ihren Kandidatinnen einen renomeeträchtigen Laufstegjob zu vermitteln ...

  • Ich hab's immer als gesetzliche Regelung in Frankreich verstanden. (In der französischen wikipedia ist von einer Verordnung von 1945 die Rede, die 2001 vom Industrieministerium gelockert worden sein soll: "Le décret de 1945 a été assoupli en 2001 par le ministère de l'Industrie") Keine Ahnung, worauf sich das genau bezieht, vielleicht hat es mit der Einführung der "korrespondierenden Mitglieder" zu tun (das sind vor allem Mitglieder, die ihren Hauptsitz nicht in Paris haben, die bedeutendsten kommen aus Italien). Die sind 1997 eingeführt worden und die deutsche wiki spricht von einer "Lockerung von 1997" - vielleicht hat nur der juristische Vollzug etwas gedauert ?


    Vielleicht sollte man so sagen: Solang die Musik in Paris spielt, gelten die dortigen Bestimmungen. Aber die Musik ist schon seit den Swinging Sixties eine andere geworden, und dann passen sich irgendwann auch die Bestimmungen an.


    Die Stellung des Verbands und die Wirkung des Dekrets haben einen erheblichen Bedeutungsverlust erlitten. Wenn du von 100 auf 15 Mitglieder geschrumpft bist und die Modewelt längst alles "High Fashion" nennt, was auf großen Fashion Weeks gezeigt wird, dann musste um dein Ansehen schon kämpfen. Paris hat als Zentrum des Modegeschehens in den 1960ern Konkurrenz bekommen und dann in den 1990er, als Mailand mit Gucci & Co eine neue Blüte erlebte. Die Bedeutung der Haute Coutures haben abgenommen, am "Luxus" wird überall mit bestimmt. Das Modediktat aus den großen Häusern ist längst gefallen, imgrunde sind selbst die berühmten Trendansagen zur aktuellen Mode weitgehend ins Beliebige gerutscht. Und wie überall gilt dann: wenn de wenig zu sagen hast, verliert auch die formale Autorität an Bedeutung.


    Tom Ford hat in dieser Saison die London Fashion Week ausgelassen und einen neuen Ort bespielt: Los Angeles im direkten Vorfeld der Oscars. Wer weiß, was das noch für Folgen für die Haute Coutures haben könnte.

  • Wow Leute, besten Dank für eure umfangreiche Infos. Viel mehr, als ich gedacht hätte :D
    Wirklich danke... Ich gehe jetzt mal kurz auf die jeweiligen Antworten ein, wow.. wirklich wahnsinn was ihr da für mich geschrieben habt. Weitere Fragen, die dann aufgetaucht sind, habe ich zur Verdeutlichung wieder fett markiert.
    :@ Akaryuu und Honig:

    Zitat von »Aincrad«

    Wirtschaftliche, soziale und vor allem ethische Aspekte, im Vergleich auch zu früher
    So allgemein gefragt, dass ich nicht wüsste wo man da anfangen soll zu diskutieren.


    Ja, das ist wirklich zu umfassend. Was ich mit dem wirtschaftlichen Aspekt z. B. meine ist: Wie viel verdient ein Model? Ist Victoria Secret für ein Model auch wirklich das exklusivste und bestverdienteste Label (nicht Agentur, Unterschied gemerkt hehe)? Woher kriegt der Modedesigner oder Stylist sein Geld? Muss er z. B. an einer Fashion Show am Veranstalter etwas bezahlen, wenn er seine neueste Mode an Modeschauen presentieren muss oder kriegt der Stylist umgekehrt Geld dafür? Und wie viel sind die Kosten einer Kollektion (wom Weg des Entwurfes bis zur Modeschau)?


    Oder bspw. geht ein Model zu einem Casting für eine Modeschau, bekommt den Job, macht bei der Modeschau mit und dann heisst es "Arrivederci"? Gibt es auch Fälle, wo man sich vertraglich für eine längere Zeit binden lassen kann, sodass man für die nächsten Fashion Show quasi keine neuen Modelgesichter casten muss?


    Den ethischen Aspekt und sozialen Aspekt lasse ich mal raus, da kommen vielleicht später konkretere Fragen, so ist es viel zu unklar auch für mich noch.

    Zitat von »Aincrad«

    kenne die Unterschiede zwischen "Editorial Shoot", "Fashion Shoot" und "Commercial Shoot"
    Diese Begriffe finde ich übrigens viel zu vage, um die Kategorie eines Shootings zu charakterisieren. Ich finde hier Beschreibungen wie Katalog, Lookbook, Cover, Magazin-Editorial, Kampagne, Experimentell etc. sehr viel klarer.


    Oj, da gibt es gleich noch mehrere so "Fotobegriffe". Lookbook und Experimentell sind mir jetzt neue Begriffe.


    : Kemenate


    Werde da sicherlich auch noch reinschauen, dir auch: Danke. :)


    :@hexe: Boh ehy, danke für deinen Roman. Da stehen auch viele Informationen, diese Geschichte mit "Haute Couture" und "Pret-a-porter" ist super beschrieben. Ja, ich hatte gelesen, dass man für die geschützte Bezeichnung "Haute Couture" gewisse Kriterien erfüllen muss. Diese kannte ich aber jetzt noch nicht. Auch danke für das Model-ABC von Neele, dass sicherlich perfekt ist und die wesentlichen Dinge erhält sowie für die Links der Fashion Shows, die ich sofort als Favoriten gespeichert habe. Ich wusste, was die Big Four quasi sind, dass es aber noch so viele, weitere Modeschauen gibt. Diese Geschichte mit den Fashion Shows und Modeschau bringt mich noch auf eine weitere Anmerkung:
    Diese Modeschauen, dienen die eigentlich nur zur Schau oder wieso sind andere Stylisten und Labelverteter da anwesend? Klauen sie durch die Modenschau irgendwelche Ideen, "spicken" sie Muster für eigene Kollektionen? Und sind bei den Modeschauen auch gewisse Kritiker anwesend, die bei der Modeschau nur da sind, um die Kleider zu begutachten und nach Grösse, Modetrend, Farbe usw. zu bewerten?


    Wie ihr seht, ist dieser Thread quasi für mich wie so ein persönliches Antwortthread, wo ich alle Fragen zur Mode bekomme. Ich hoffe, meine Fragen sind nicht zu viel Guten und viel mehr hoffe ich, das ist erlaubt und im Rahmen der Forenregeln. Ansonsten geht bitte so vor, wie es vorgehen soll. Wenn was weg muss, tue ich es auch weg :D
    Danke nochmals allen herzlich für die umfassenden Antworten. Wünsche allen einen ganz tollen Abend. :)

  • Diese Modeschauen, dienen die eigentlich nur zur Schau oder wieso sind andere Stylisten und Labelverteter da anwesend? Klauen sie durch die Modenschau irgendwelche Ideen, "spicken" sie Muster für eigene Kollektionen? Und sind bei den Modeschauen auch gewisse Kritiker anwesend, die bei der Modeschau nur da sind, um die Kleider zu begutachten und nach Grösse, Modetrend, Farbe usw. zu bewerten?


    Geklaut und gespickt wird überall und deswegen gilt vor allen Shows die höchste Geheimhaltungsstufe. Aber sobald die Show anfängt ist das kein Problem mehr. Wenn du dann noch klaust bist du bloß Plagiator ...


    Wer da sitzt, ist übrigens extra eingeladen. Fashion-Shows sind hauptsächlich Events für geladene Gäste. Und das sind neben VIPs zur Aufwertung des Events hauptsächlich die Einkäufer, deren Order letztlich darüber entscheiden, was wo in die Läden kommt. Unsereins hat da keinen Zutritt. Zur Information des allgemeinen Publikums ist die Presse da, traditionell die Modemagazine und die großen internationalen Zeitungen, die sich eine eigene Modekritik leisten (letztere oft mit größerem Gewicht dank der größeren Unabhängigkeit von Anzeigen der Modelabels - eine der Bekanntesten ist Suzy Menkes von der Herald Tribune). In den 1980ern glaub ich kam das Fashion-TV dazu; und nach den Privataufnahmen und unseligen hochgeladenen Handy-Filmchen zieht jetzt mehr und mehr der Livestream ein. Fast jedes 2 Label in Paris knallt jetzt einen Livestream auf seine Webseite. Seit etwa 10 Jahren ist dazu auch die Gattung der Modeblogger stark auf den Schauen vertreten.


    (Für die Haute Coutures sieht das noch etwas anders aus, da sitzen oft die Kundinnen der Häuser in den Shows.)


    Wozu die Schauen dienen? Erstens eben Einkäufer für die jeweilige Kollektion zu finden, d.h. Vertreter von Läden, Ladenketten, Kauf- und Versandhäusern, die die Kollektion oder Teile davon vertreiben wollen. Für Presse (samt Bloggerszene) sind die Fashion Weeks ein Fokus für die Berichterstattung; wer da mit einer Schau dabei ist, über den wird gesprochen. Und das führt zur Bedeutung der allgemeinen Markenwerbung. Vor allem die größeren Label bringen noch eine Riesenpalette anderer Produkte an die Frau oder den Mann. Wobei das für einige der bedeutendsten Modelabels sogar die Hauptsache darstellt. Da ist die Präsentation als Ganzes dann oft die Hauptbotschaft.


    Neben den Chanel und Diors, die ihre Wurzeln tatsächlich im Bekleidungssektor haben, sind schon lange die Prada und Louis Vuittons getreten, die eigentlich aus dem Taschen- und Lederwarengeschäft kommen. In New York ist seit einiger Zeit auch "Porsche Design" am Start; die Meißener Porzellan-Hersteller hat es auch schon auf die Moda Donna in Milano gezogen - auf den Fashion Weeks wird mehr und mehr Lifestyle zelebriert und alles beworben und verkauft, was irgendwie dazu gehören will.


    Die Schauen sind aber eine kostspielige Angelegenheit. Für kleinere Paris-Shows hab ich 5-stellige Beträge gehört, für die größeren auch 6-stellige bis in Millionennähe. Einen Teil der Kosten kann durch Vergabe von Film- und Fotorechten und Ähnlichem gedeckt werden. Aber teuer bleibt es, und es ist für viele Labels entscheidend, ob sie Finanziers finden, die Geld in sie investieren wollen.


    Joop z.B. hat für Wunderkind eine zeitlang ein Mäzenatenpaar aus der Nachbarschaft in Potsdam gehabt - was vor allem dadurch größere Bekanntheit erhalten hat, weil die ihm irgendwann enttäuscht den Geldhahn zugedreht haben, was Joop nah an die Pleite brachte. Seine neuere Finanzierungsgrundlage ist ja weiter bekannt und es ist nicht auszuschließen, dass die Werber von Pro7 von Joops Problemen gelesen hatten. -- Von kaviar gauche, Lala Berlin und Michalsky heißt es, dass sie denselben Finanzier haben sollen - und plötzlich stecken Januar 2015 alle drei in ihren Unternehmungen etwas zurück ^^.


    Viele Nachwuchsdesigner fragen sich angesichts der Kosten dann auch, wozu die Schauen dienen - und kommen zu dem Schluss, dass es für sie besser ist, über andre Wege an die Einkäufer zu kommen. Tatsächlich ist es auch so, dass viele Einkäufer gar nicht in die Schauen gehen, sondern Messeaustellungen (wie die "Premium" in Berlin) oder etwa die Showrooms bevorzugen, die oft während der FWs angemietet werden. Da lassen sich Kollektionen mit größerer Ruhe und genauer begutachten. Aus der Perspektive sind die Shows dann "nur Show".


    Manchmal kriegt man da lustige statements von Designern zu hören, die sich ausrechnen, wieviel Zeit sie mt ihren teams für ein outfit aufgewändet haben und das dann mit dem kurzen Moment vergleichen, indem das präsentierende Model am Schauenpublikum vorbei rauscht :) - Auf der andern Seite kursieren dagegen Geschichten wie die von Michael Kors, der seine Models vor einer Schau mal dazu aufgefordert haben soll, nur den Neid-Moment in der Hektik Manhattans zu inszenieren: den kurzen Blick auf die atemberaubende Frau, die im nächsten Moment schon wieder verschwunden ist. "Geht raus und macht sie neidisch."


    Es gibt schon sehr verschiedene (und vor allem auch kürzere ^^) Antworten auf dein Frage, Aincrad.

  • Was da alles an neues Wissen kommt, herzlichen dank hexe. Die Geschichte mit Joop ist ja kurios; als er als neuer Juror feststand las ich einiges über ihn und informierte, doch das GNTM ihn so finanziell unter die Arme greift, wusste ich nicht. :huh:


    Neles Modelblog finde ich cool, hab da mal reingeschaut und mir ihr Model-ABC durchgelesen. Kurz und knackig, perfekt. Auch die anderen Antworten zur Modeschau finde ich toll und nützlich, danke. Jetzt muss ich sie nur noch speichern können... Ach, sonst lese ich hier einfach wieder rein :joke:


    Ich hoffe, dass ich bei weiteren Fragen wieder hier schreiben kann. Sonst ist hoffentlich eine PM an dich hexe kein Problem, oder? Auf jeden Fall hat der Thread sein Zweck erfüllt und ich konnte die wesentlichen Dinge und meine Interessensfragen zur Mode(l)welt beantwortet sehen. Danke an allen, love ya. :inlove:

  • 2 Sachen als Nachtrag:


    Zum einen gibt es in dem von Kemenate verlinkten tfs-thread einen lesenswerten Artikel über FAQs zu Fashion Weeks. "Your nagging questions answered ..."


    Zum andern kam deine Frage zu den prêt-à-porters genau in eine Zeit, wo eine der führenden Tendforscherinnen gerade mit einem "Anti-Fashion Manifesto" in der Diskussion ist - worin sie die These vertritt, dass die prêt-à-porters am Ende sind. In der gehobeneren Kritiker-Sprache sagt man "in ihrer jetzigen Form am Ende sind" - weil natürlich jeder weiß, dass Todgesagte oft ein herrliches Nachleben führen ... Aber wie auch immer, da sind glaub ich sehr interessante Überlegungen darin und oft ist es ja viel ertragreicher, aktuelle Streitschrfiten mit Untergangsporphezeiungen zu lesen als irgendwelche Studien-Einführungs-Klassiker.


    Die Einschränkung "glaub ich" bezieht sich darauf, dass ich das Manifest selber nirgendwo zu lesen gefunden habe. Vielleicht mal wieder ein Fall, wo man den Wald vor lauter Bäume nicht sieht? Für Hilfe wäre ich sehr sehr dankbar! Aber man sieht einen Teil der Druckversion des Manifests und bekommt eine längere Wiedergabe mit Zitaten in einem Bericht bei dezeen.com

  • Werde ich sicherlich noch nachlesen, vielen vielen Dank hexe reloaded für deine sicherlich aufwändige Mühe, meine Fragen zu beantworten. :D


    Peace und schönen Tag wünsche ich dir.

  • Vor ein paar Wochen habe ich diesen Thread per Zufall entdeckt, und ich bin völlig hingerissen über Eure detaillierten Kommentare und über Euer Wissen. Mir hat das tatsächlich viel erklärt, und ich habe viel gelernt. Danke! :inlove: